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Achtzehn Jahre und ein Moment

Vor rund zwanzig Jahren haben meine Eltern sehr viele Bäume auf ihrem Grundstück gepflanzt. Darunter waren auch mehrere Tannen, die direkt in den Garten kamen. Mit der Zeit haben sich die Bäume zu stolzen Riesen entwickelt. Leider stellte sich nun heraus, dass die Bäume viel zu dicht am Haus stehen. Da es Jahr für Jahr immer stürmischer zu werden scheint, haben meine Eltern letztendlich entschlossen, dass zumindest einer der Bäume gefällt werden muss (er stand nur ca. 5 Meter vom Haus entfernt).

So haben wir zu viert Ende November mit der Arbeit begonnen, den Baum zu fällen. Es war keine leichte Entscheidung, da es sich um eine wunderschöne, ca. 12 Meter hohe Nordmanntanne gehandelt hat. Als der Baum dann Tags darauf nicht mehr stand, fiel mir auf, wie die Vögel ganz hektisch hin und her flogen und den Baum suchten… Aus der Beobachtung heraus und aufgrund des Mitleids, das ich für den Baum empfand, habe ich die folgenden Zeilen geschrieben…

Achtzehn Jahre und ein Moment

Frischer Wind in meinem Haar,
das sich sanft in jeder Böe wiegt.
Vöglein singen Jahr für Jahr,
in ihrem Nest, das sicher in meinen Armen liegt.

Kindertage, still und stumm,
wurden von dunklen Sorgen getrübt,
dass das Mädchen nicht recht wuchs, nur krumm!
Gerade zu stehn wurd so stets geübt.

Doch die Zeit wandelte mich,
mein Haupt wuchs in die Welt hinaus.
Die Angst um meine Zukunft wich,
und die Natur wurd nun mein Zuhaus.

Achtzehn Jahre ist es nun her,
seit ich aus einem Keim entsprang.
Achtzehn Jahre und ich wollt noch viel viel mehr,
doch meine Hoffnung, sie zerrann!

Denn der Wind weht nun stürmisch all zu oft
und Schwestern fallen, müssen leiden.
Der Mensch fürchtet sich und hofft,
dass durch ihren Sturz ein Unglück sich lässt vermeiden.

So wird auch mein Schicksal früh entschieden,
denn viel zu nah ist ein Haus gebaut.
Zukunftspläne werd ich nimmer mehr schmieden.
Schon zucken Schmerzen durch meine rauhe Haut.

Hieb um Hieb erzittert nun mein Körper,
in den Adern stockt mein Blut.
Doch über meine Lippen kommen keine Wörter,
still und verzweifelt ist meine Wut.

Zu schnell falle ich, kann mich nicht wehren.
Des Menschen Mitgefühl bin ich nicht wert:
„Ist nur ein Baum“, kann ich noch hören.
Das Recht auf Leben wird mir verwehrt.

Nur ein Moment und mein Blick wird leer,
ich verschwinde von dem Ort, wo ich gerad noch stand.
Mein Körper, mein Ich gibt es nun nicht mehr,
alles verblasst, was ich einst gekannt.

Rasch werden Menschen nichts mehr von mir wissen.
Kurz flackert mein Licht noch, wenn ein Feuer brennt.
Nur die Vöglein suchen mich, werden mich vermissen.
So endet mein Leben, nach achtzehn Jahren und einem Moment.

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Abschließend nun noch ein paar Fotos des Baumes und unserer Arbeit.

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1 Reply to “Achtzehn Jahre und ein Moment

  1. […] Kurz vor diesem Sturm waren wir übrigens bei meinen Eltern und haben einen Baum gefällt. Er war mittlerweile zu hoch geworden und stand zu dicht am Haus, wodurch meine Eltern Angst bekamen, dass er tatsächlich aufs Haus fallen könnte. In meinem Portfolio habe ich die Fotos der Aktion veröffentlich und auch ein Gedicht dazu geschrieben. Wenn ihr mögt, könnt ihr es euch ja einmal ansehen Hier kommt ihr zu dem Artikel: http://www.kathleen-palnau.de/201401/achtzehn-jahre-und-ein-moment/ […]

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